Risse im „Eisernen Vorhang“:
Internationaler Tourismus und KGB
(am Beispiel der Litauischen SSR)
Teilprojekt des gemeinsamen Forschungsprojekts "Begegnungen nach Plan"
Die „Offene Gesellschaft“ gehört zu den Grundmerkmalen der heutigen globalisierten Welt. Zugleich gibt es zahlreiche Staaten, die den ein oder anderen Grad von Autarkie gegenüber der Außenwelt als natürlichen Zustand betrachten und Ausländer als Bedrohung ihrer traditionellen Ordnung wahrnehmen. Im politischen Kontext resultiert aus der Konfrontation mit dem vorgeblichen „ausländischen Einfluss“ gerade zwangsläufig eine manische Angst vor Spionen. Vor diesem Hintergrund stellte die Sowjetunion keine Ausnahme dar, wenn sie die Auslandskontakte ihrer Bürger in den 1930er-1940er Jahren auf ein Minimum reduzierte und kriminalisierte.
Die Entstehung des sozialistischen Lagers in Europa sowie die einsetzende Entspannungspolitik ließen Mitte der 1950er Jahre auch in der UdSSR einen internationalen Tourismus entstehen, dessen Aufgabe vor allem darin bestand, die Ideen des Sozialismus außerhalb der UdSSR voranzutreiben. Es überrascht nicht, dass der internationale Tourismus in der UdSSR unter strenger Kontrolle der Kommunistischen Partei und der Organe der Staatssicherheit stand. Allerdings sollte sich Kontrolle und Instrumentalisierung des Tourismus angesichts in die Millionen gehender Touristenströme als durchaus schwierige Aufgabe erweisen. Allein in der ersten Hälfte der 1970er Jahre reisten mehr als 15 Millionen ausländische Touristen in die Sowjetunion, während zugleich fast 11 Millionen Sowjetbürger jenseits des „Eisernen Vorhangs“ waren. Der immer größere Umfang der internationalen Reiseaktivitäten erschwerte die Aufgabe der effektiven ideologischen „Bearbeitung“ sowohl der ausländischen Touristen als auch der ins Ausland reisenden Sowjetbürger.
Das Ziel des Projektes besteht darin, die Haupttendenzen der „Betreuung“ des internationalen Tourismus von Seiten der Organe des KGB auf Grundlage einzigartiger Archivquellen am Beispiel der Litauischen SSR zu zeigen und zu kommentieren.
Diese Republik stand traditionell im Fokus der Aufmerksamkeit der Staatssicherheitsorgane, da sie in Moskau als Brutstätte des Nationalismus galt. Auf Grundlage der Analyse der dem internationalen Tourismus geltenden Aktivitäten des KGB in der Litauischen SSR lassen sich sowohl landesspezifische als auch auf andere Regionen der UdSSR übertragbare Kehrseiten der Kulturdiplomatie der Zeit des Kalten Krieges nachzeichnen. Als Quelle dienen Dokumente des KGB der UdSSR, die im Litauischen Forschungszentrum für Genozid und Widerstand (LGGRTC) verwahrt werden.