Die Postkarte trägt die Aufschrift „Der Krieg im Osten – Heldengräber in Goldap“. Zu Beginn des Ersten Weltkriegs wurde diese im damaligen Ostpreußen gelegene Stadt von russischen Truppen besetzt und im Verlauf der Kriegshandlungen schwer in Mitleidenschaft gezogen. Vielleicht wurde sie gerade deshalb als Postkartenmotiv ausgewählt. Auf den ersten Blick sieht alles friedfertig aus, es sind keine Spuren von Brand und Zerstörung zu erkennen. Im Hintergrund stehen schlichte Backsteinhäuser mit roten und grauen Dächern sowie am rechten Kartenrand ein Wasserturm. Im Vordergrund sieht man kleine, gerade gezogene Sandwege, die von rechteckigen, sorgsam gepflegten Rasenstücken gesäumt sind. Das sind die Gräber der gefallenen Soldaten, der Kriegsopfer.

Die meisten Gräber werden von Kreuzen geschmückt, wobei lateinische und orthodoxe Kreuze einträchtig nebeneinanderstehen. Einige Gräber weisen weder Kreuz noch Inschrift auf. Dort könnten Soldaten begraben sein, deren Name und Konfession unbekannt war. Bei den beiden im Vordergrund zu sehenden Gräbern handelt es sich um Grabstätten russischer Soldaten, deren kyrillisch geschriebene Namen deutlich lesbar sind - Stepan und Andrej, Todesjahr 1915. Die Nationalität der gefallenen Kämpfer ist auf Deutsch angegeben: „Russe“. Die Gräber sind gut gepflegt. Rechts von den Gräbern steht ein Soldat mit Gewehr und Bajonett. Hinter ihm reihen sich einige Frauen und Kinder an einem mit frischen Kränzen geschmückten Grab auf. In der linken Bildhälfte sieht man einzelne Friedhofsbesucher.

Die Postkarte ist nicht nur ein Gruß aus der Vergangenheit, sie legt auch Zeugnis davon ab, dass die traditionellen Werte des menschlichen Lebens nach Ausbruch des „Großen Krieges“, wie der Erste Weltkrieg zeitgenössisch genannt wurde, noch einige Zeit fortbestanden. Die allgemeine Entmenschlichung, wie sie sich schon bald in der Haltung gegenüber gefallenen Feinden zeigen sollte und in zahlreichen Schändungen sowohl der Leichname selbst als auch ‚feindlicher‘ Gräber ihren Ausdruck fand, lag noch in der Zukunft. Einstweilen spiegelt sich in dieser Postkarte noch die Maxime, dass der feindliche Soldat als Beschützer seines Vaterlands Achtung verdiene, und zwar auch post mortem. Und so liegen Russen und Deutsche auf demselben Friedhof in „Heldengräbern“ nebeneinander.

Heute gehört Goldap (Gołdap) zur polnischen Wojewodschaft Ermland-Masuren. Der aus der Zeit des Ersten Weltkriegs stammende Soldatenfriedhof, auf dem über 400 russische und etwa 150 deutsche Soldaten begraben sind, besteht bis heute.